Mäuseweisheiten !



Ich schaue zum Fenster raus. Aus dem Radio perlen weihnachtliche Klänge. Vor dem Fenster tanzen abertausende Schneeflocken. Der Himmel ist überzogen mit Schneewolken. Es ist recht dunkel im Haus. Ich knipse das Licht an, zünde eine Kerze an schaue wehmütig zum Fenster raus. "Hach, moniere ich, ich bin einfach ein Sommerkind ! Die Kälte, der Schnee, die kurzen Tage und dieser eintönig graue Himmel - das macht mich ganz pampig." "Ich bräuchte Frederick", denke ich und grinse. Im Herbst erzählte ich im Kindergarten immer wenn möglich diese wunderbare Mäusegeschichte von Leo Lionni und wir werkelten dazu eine kleine Maus, eine grosse Sonne oder machten eine Collage mit ganz vielen Farben.

Eine wunderbare Geschichte - ein Seelenwärmer in Buchstabenform.


Frederick

Rund um die Wiese herum, wo Kühe und Pferde grasten, stand eine alte Steinmauer. In dieser Mauer - nahe bei Scheuer und Kornspeicher - wohnte eine Familie schwatzhafter Feldmäuse. Weil es bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht. Alle - bis auf Frederick. 




"Frederick, warum arbeitest du nicht ?" fragten sie. "Ich arbeite doch", sagte Frederick, "ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage".
Als sie Frederick so dasitzen sahen, wie er auf die Wiese starrte, sagten sie: "Nun Frederick, was machst Du jetzt?" "Ich sammle Farben, denn der Winter ist grau". Plötzlich sah es aus, als sei er halb eingeschlafen. "Träumst du, Frederick ?" fragten sie vorwurfsvoll. "Aber nein", sagte er, "ich sammle Wörter: Es gibt viele lange Wintertage - und dann wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen".




Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel, zogen sich die fünf kleinen Feldmäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück. In der ersten Zeit gab es noch viel zu essen, und die Mäuse erzählten sich Geschichten über singende Füchse und tanzende Katzen. Da war die Mäusefamilie ganz glücklich!
Aber nach und nach waren fast alle Nüsse und Beeren aufgeknabbert, das Stroh war alle, und an Körner konnten sie sich kaum noch erinnern. Es war auf einmal sehr kalt zwischen den Steinen und keiner wollte mehr sprechen.
Da fiel Ihnen plötzlich Frederick ein. "Du, Frederick !" riefen sie, "was machen deine Vorräte ?"

"Macht die Augen zu" sagte Frederick und kletterte auf einen grossen Stein. "Jetzt schicke ich euch die Sonnenstrahlen. Fühlt ihr schon, wie warm sie sind ? Warm, schön und golden ?"
Und während Frederick so von der Sonne erzählte, wurde den vier kleinen Mäusen schon viel wärmer: Ob das Fredericks Stimme gemacht hatte ? Oder war es ein Zauber ? "Und was ist mit den Farben Frederick ?", fragten sie aufgeregt.




"Macht wieder eure Augen zu" sagte Frederick. Er erzählte von blauen Kornblumen, roten Mohnblumen im gelben Kornfeld und von grünen Blättern am Beerenbusch. Die Mäuschen sahen die Farben so klar und deutlich vor sich, als wären sie aufgemalt in ihren kleinen Mäuseköpfen.

"Und die Wörter, Frederick ?" Er räusperte sich.

Wer streut die Schneeflocken ? Wer schmilz das Eis ?
Wer macht lautes Wetter? Wer macht es leis ?
Wer bringt den Glücksklee im Juni heran ?
Wer verdunkelt den Tag? Wer zündet die Mondlampe an ?

Vier kleine Feldmäuse wie du und ich
wohnen im Himmel und denken an dich.

Die erste ist die Frühlingsmaus, die lässt den Regen lachen.
Als Maler hat die Sommermaus die Blumen bunt zu machen.
Die Herbstmaus schickt mit Nuss und Weizen schöne Grüsse.
Pantoffeln braucht die Wintermaus für ihre kalten Füsse.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter sind vier Jahreszeiten. 
Keine weniger und keine mehr. Vier verschiedene Fröhlichkeiten.

Als Frederick aufgehört hatte, klatschten alle und riefen: "Frederick, du bist ja ein Dichter !"
Frederick wurde rot, verbeugte sich und sagte bescheiden: "Ich weiss es - ihr lieben Mäusegesichter!"


Von Frederick ermutigt, setze ich mich an den Computer und beginne unsere Ferienfotos zu sortieren. Ich mache mir jetzt ein "Sommersonnen-Ferienbuch" und sauge ganz viel Himmelblau, Gartengrün und Sonnengelb in mich auf.

Frederick hat Recht: alle vier Jahreszeiten sind schön. Gerade, weil der Winter etwas kalt, rau und garstig ist, freue ich mich umso mehr auf den Frühling !

Macht Euch die Welt, wie sie Euch gefällt !













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